Ach Frau // Ach Mann

Ein Mann, ein Wort, eine Frau ein Wörterbuch? Nicht ganz: In unserer Kolumne "Ach Frau // Ach Mann" dreht sich alles um die geschlechtsspezische Sicht der Dinge. Dabei benutzen unsere Schreiber Michael und Katharina allerdings in etwa die gleiche Anzahl an Worten.

MichaelAch Frau, warum schminkst Du Dich denn so viel?

Gehen wir mal davon aus, dass frau pro Tag nur etwa 30 Minuten für das Schminken verwendet, so kommen wir bei 50 Anmal-Jahren auf insgesamt 375 Tage, die vor dem Spiegel verbracht werden. Das ist mehr als ein Jahr. Wie bitte? Ein Jahr vor dem Spiegel. Respekt. Bei einer Stunde pro Tag sind das schon 750 Tage. Meinen noch größeren Respekt. Und die Zeit im Bad ist auf der nach oben offenen Bemal-Skala ja noch  wesentlich erweiterbar – Das Ganze muss abends ja auch wieder weg. Na dann. Schließlich schminken sich Menschen, seitdem es sie gibt: Wikinger, Griechen oder Römer nutzten selbst angerührte Farben,  um im Krieg ihre Feinde zu verschrecken oder um sich aufzuhübschen. Die erste Schmink-Queen der Geschichte war die Pharaonin Kleopatra, die sich die Augen schwarz umrandete und rote Farben auf die Wangen auftrug. Das Volk tat es ihr gleich – Frauen wie Männer.

Im 16. Jahrhundert war unter der britischen Königin Elisabeth I. hingegen Blässe schick. Die Menge an giftigem Bleiweiß, das sich Menschen ins Gesicht puderten, war beachtlich.

„Love and peace, no bra and no make-up!“ hieß es in den 1960er-Jahren. Die Hippies mochten es möglichst natürlich, Schminke verlor an Bedeutung. Und dann kam die Zeit der Glamrock-Musik von Sweet, Slade und Middle of the Road, die von Schminke bis zum Umfallen geprägt war. Olivia Newton-John und John Travolta tanzten und sangen sich zur Musik der Bee Gees bunt bemalt durch die Diskotheken. Manche waren geschminkt wie Winnetou auf dem Kriegspfad oder seine Schwester Nscho-Tschi. Danach wurde es wieder weniger bunt.


Und heute? Die oben errechneten Zahlen sprechen wohl für sich. Schließlich wollen wir Männer doch auch Frauen, die gut aussehen. Aber der Zeitaufwand ist schon beachtlich und die Schminke teuer.

P.S.: Auch ich muss zugeben ...

... in den späten 1970er-Jahren zur Schminke im kleinen Stil gegriffen zu haben. Am Hotspot Wörthersee in Österreich gehörte das damals dazu. Eyeliner in blau oder Wimperntusche für eine gleichmäßige Farbe des obligatorischen Schnäuzers mussten vor dem Auftritt in den Szene-Diskotheken Hazyland oder Hausboot aufgetragen werden, um die Frauenwelt zu beeindrucken – meinten wir jedenfalls. So ist das also mit der Schminke – und den Stunden – und den Tagen – und den Jahren. Wie heißt es so schön? Männer dürfen lügen, Frauen schminken sich doch auch. In diesem Sinne einen schminkigen Frühling.

Michael Acker

 

KathaAch Mann, warum drehst Du Dich denn trotzdem um?

Wahre Schönheit kommt von innen“, sagt ihr. ,,Ich mag‘s lieber natürlich“, sagt ihr. Und dann läuft sie an Euch vorbei, verheißungsvoller Smokey-Eyes-Blick, roter Schmollmund, perfekte Nägel. Alles nicht gerade gottgegeben, aber doch wirkungsvoll. Wo schaut ihr hin? Versteht mich nicht falsch – ich verurteile das nicht. Und einer „wahren Schönheit von innen“ schaut ihr sicherlich auch gern hinterher. Nur leider ist frau nicht immer in optischer Bestform. Nach einer schlaflosen Nacht mit krankem Kind sollen die Alleskönnerinnen unter den Geschlechtern am folgenden Arbeitstag natürlich trotzdem frisch ausschauen: „Hallo Concealer, bist du zufällig an meiner inneren Schönheit vorbeigekommen? Nein? Na dann aber hurtig auf meine Augenringe …!“

Natürlich gibt es Frauen, die sich im kosmetischen Ausnahmezustand befinden. Da ist der Pinsel ein bisschen zu tief in den Farbtopf gefallen und durchs werte Antlitz gerutscht. Aber wer will‘s den Schminkwütigen verdenken, in Zeiten von Bildern, die bis zur  Unkenntlichkeit gephotoshopped sind, auf denen kein Platz für kleine Fältchen, graue Haare oder freundliche Fettpölsterchen ist. Realität? Einfach mit dem Weichzeichner weggewischt. Sich ungeschminkt zeigen, heißt eben auch, die Deckung fallen zu lassen. Die eigene Realität zu zeigen. Und das fällt nicht allen leicht. Vor allem nicht, wenn sich Frauen noch immer rechtfertigen müssen, warum um Himmels willen sie ungeschminkt sind … „Ähhhm, ich bin so zur Welt gekommen?!“

Also liebe Männer, bevor ihr urteilt über zu wenig oder zu viel Schminke, versucht am besten hinter die Maske zu schauen. Denn da sind Frauen eigentlich immer am schönsten.

P.S.: Nur am Rande ...

... auf der Skala von ungeschminkt bis Alltags-Karneval gibt’s viele Stufen. Die meisten Schminkerinnen sind routiniert und brauchen nur ein paar Minuten fürs morgendliche Pinselschwingen. Die meisten Männer hingegen sitzen schon länger auf dem Klo – und sie sehen danach noch nicht einmal besser aus als vorher …

Katharina Stenner

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