"Lasst Euch kein schlechtes Gewissen machen!"

Wenn sie mal eine Stunde nur für sich hätte, würde sie wahrscheinlich schlafen: Sie ist die Geschäftsführerin und Studioleiterin der vita fi tness GmbH & Co. KG, Mutter von drei Kindern, Akademikerin und Organisationstalent: Lena Happel-Ellerich. Wir haben sie im Gesundheitszentrum Marburg getroffen und mit ihr über Multitasking, ihren Beruf und die Familie gesprochen.

Sie sind bereits während Ihrer ersten Schwangerschaft ins Familienunternehmen eingestiegen. Wie war das damals?

Ursprünglich hatte ich das gar nicht vor, ich hatte immer den Plan, in die weite Welt zu gehen, wollte Hotelmanagerin werden. Nach dem Studium habe ich in Marburg meinen Mann kennengelernt und zunächst in Frankfurt, dann in Marburg für die Vila Vita Hotel-Gruppe und anschließend im Relais & Châteaux „Die Sonne“ in Frankenberg gearbeitet. Als ich 2013 schwanger wurde, war es einfach sehr praktisch für mich in unser Unternehmen einzusteigen. Ich war schnell im Rahmen der Geschäftsleitung in viele Projekte und auch ins operative Geschäft eingebunden, habe dementsprechend keine klassische Elternzeit genommen und einen Tag vor der Geburt unserer Zwillinge noch gearbeitet. Nach der Klinikentlassung war ich auch sofort wieder da, die Zwillinge konnten mitkommen. Das funktionierte einfach gut im Familienbetrieb, wenn alle vor Ort sind. Dann haben Oma, Opa, Onkel oder auch meine Assistentin mal aufgepasst. Als die Mädchen dann vier Monate alt waren, konnte auch die Tagesmutter bei uns zuhause übernehmen, sodass ich drei Tage in der Woche komplett arbeiten konnte. So hat sich das damals sehr gut eingependelt, auch bei meinem Sohn, der 2019 geboren ist. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich nicht die klassische Arbeitnehmerin bin. Ich möchte mich beruflich frei entfalten, etwas bewegen und meine Ideen umsetzen. Das kann ich in meiner aktuellen Position.happel ellerich privat 3

Ein ganz wesentlicher Anspruch an unser Unternehmen war schon immer, auch als mein Vater noch sehr aktiv im operativen Geschäft war, dass wir innovativ waren und sind. Wir haben viele Dinge als Erster in Marburg eingeführt. Außerdem sehen wir uns auch stark in der sozialen Verantwortung: Wir gehen in Schulen, machen viele Informationsveranstaltungen und bringen uns ehrenamtlich ein. Wir sind kein klassisches Fitnessstudio – das ist lediglich ein Teil. Wir sehen uns als Gesundheitsstudio und wollen uns immer weiterentwickeln. Corona hat uns ausgebremst, das war ein herber Rückschlag für unsere Branche, und 30 Prozent Mitgliederverlust muss erst mal aufgefangen werden. Aber auch da war unser vernetzter Standort und unser Ansatz, Neues zu denken und zu wagen, ein großer Vorteil. Der Online-Bereich wurde stark ausgebaut, davon profi tieren wir auch heute noch. So hat Corona auch vieles angestoßen, das weiter Bestand hat.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Ich bin sehr nah an meinem Team, und wir arbeiten eng zusammen. Es gibt gewisse Strukturen, sodass ich manche Dinge auch sicher abgeben kann. Dabei spielen Werte wie Vertrauen und Loyalität eine große Rolle. Ich treffe mich wöchentlich mit meinem Team, damit der Austausch stimmt. Denn ich denke, es ist wichtig, dass auch die Mitarbeiter den Charakter des Unternehmens verinnerlicht haben müssen – und weil uns viel an Innovationen gelegen ist, sollen und dürfen auch unsere Mitarbeiter eigene Ideen entwickeln und sich einbringen, das will ich fördern. Ich bin sicher in einigen Punkten streng, weil ich glaube, das gehört – wie auch in der Kindererziehung – einfach dazu, dass es klare Werte gibt. Dafür wissen meine Mitarbeiter und Kollegen im gesamten Gesundheitszentrum auch, dass meine Tür immer offen steht, und wir sie berufl ich wie privat unterstützen. Vor allem im Dienstleistungssektor sind die Mitarbeiter das höchste Gut, also sollte die Stimmung im Team stimmen. Viele arbeiten schon sehr lange bei uns, und das soll auch so bleiben.

Würden Sie sich mehr Frauen in Führungspositionen wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass Frauen in Deutschland ein höheres berufl iches Ansehen bekommen, beziehungsweise ein den Männern gleichgestelltes. Dass Arbeitgeber eben nicht die Hemmschwelle haben „sie könnte schwanger werden“ oder „ihre Kinder könnten krank werden“. Man muss Umstände in einem Betrieb schaffen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser gewährleisten. Da hinkt Deutschland im internationalen Vergleich noch sehr hinterher. In den USA oder auch den skandinavischen Ländern sieht das schon anders aus, zum Beispiel durch betriebsinterne Betreuungsplätze für Kinder bei großen Konzernen. Ich sehe in unserem eigenen Unternehmen, dass Frauen sehr belastbar sind und sehr fl exibel sein können, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. Sie bieten einen enormen Mehrwert, auch weil sie Dinge sehen, die Männer nicht beachten. Vor allem durch Corona waren sie teilweise erheblicher Mehrbelastung ausgesetzt. Da waren unsere Kinderbetreuung im Betrieb und die Möglichkeit zum Homeoffi ce natürlich große Vorteile – es hat super funktioniert, und ich war sehr dankbar dafür, dass uns so all die Mütter in der Belegschaft nicht weggefallen sind. Was sind für Sie persönlich die größten Herausforderungen im Zusammenspiel von Beruf und Familie? Es sind zwei Fulltime-Jobs, und das sieben Tage die Woche. Das unterschätzen viele. Wer mich sieht, wenn ich um 13 Uhr das Haus mit meinem Sohn verlasse, denkt vielleicht: „Na, die hat’s ja gut mit ihrem Halbtagsjob“, weiß aber nicht, dass ich natürlich weiterhin mobil arbeiten und gleichzeitig den Switch hin zum Familienalltag schaffen muss. Es ist dieser Spagat zwischen beiden Bereichen. Ich stehe jeden Morgen um 5 Uhr auf, um noch ein paar Dinge im Haushalt zu machen, um alles zu schaffen, damit ich um viertel vor 8 Uhr mit den Kindern geschniegelt und gebügelt das Haus verlassen kann, und vielleicht vorher noch einen Kaffee getrunken habe. Nach der Arbeit im Betrieb düse ich mit dem Kleinen schnell zur Schule und hole die Mädchen ab, zuhause werden die Taschen für diverse Hobbies und Termine der Zwillinge gepackt, währenddessen mit dem Sohn gespielt und zwischendurch noch fünf berufl iche Telefonate geführt. Wenn die Kinder dann im Bett sind, warten liegengebliebene Aufgaben, oder es ist Zeit, noch ein paar E-Mails zu beantworten. Klar ist das anstrengend – aber am Ende des Tages kommt es natürlich darauf an, was man möchte.

Haben Sie einen Tipp für berufstätige Mütter?

Lasst Euch kein schlechtes Gewissen machen! Es gibt immer Menschen, die kritisieren oder sich fragen, warum man denn Kinder bekommen habe, um sie dann zugunsten der Arbeit „abzuschieben“. Das ist natürlich Quatsch, denn ich verbringe trotz der Arbeit viel Zeit mit meinen Kindern – Zeit, die ich mir bewusst für sie nehme, und die wir vielleicht umso intensiver nutzen und erleben. Wir sind viel in der Natur, fahren in den Ferien oder über Feiertage weg. Jede Frau muss für sich selbst entscheiden, wie sie Beruf und Kinder vereinbart und sollte sich nicht von der Gesellschaft einreden lassen, sie sei eine schlechte Mutter, weil sie gerne arbeitet und auch ihre Ziele verfolgt. Schließlich sind Kinder irgendwann auch mal groß. Bis dahin – nehmt Euch echte Quality Time, die ihr wie einen Termin eintragt. Und geht dann auch nicht ans Handy… Es sei denn, der Papa oder der CEO rufen an (lacht.)!

Lena Happel-Ellerich

ist 36 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und den drei Kindern in Marburg. Nach ihrem Abitur ging sie für ein Jahr nach Australien. Anschließend studierte sie an der internationalen Fachhochschule in Bad Honnef (Grundstudium BWL mit Schwerpunkt Touristik), und der University of Brighton (Bachelor und Master). Ihren Master of Business Administration machte sie im Fernstudium, der Doctor of Business Administration ist in Planung.

Von Katharina Stenner, Fotos: mr//media © Dr. Günter Körtner; privat

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