Meisterin des Geschmacks

Linh Nguyen ist Marburgs bekannteste – und erfolgreichste – Barkeeperin. Die Europameisterin verrät uns, was gute Cocktails ausmacht und gibt uns den Geheimtipp für diesen Sommer...

9 Uhr ist eine ungewöhnliche Zeit für einen Barbesuch. Aber spätestens wenn Linh Nguyen auftaucht, zieht auch am Vormittag der Glamour ein. Die zierliche Marburgerin betritt ihren Bereich hinter dem Tresen der 360 Grad Bar im VILA VITA Rosenpark und lässt uns eintauchen in ihre Welt von Aromen, Nightlife, Stil und Traditition.

Schon als sie noch ein Kind war, wollte sie an der Bar arbeiten. Ihr Vater legte ihr damals eine klassischere Ausbildung nahe: „Mach erstmal was Vernünftiges…“ Sie hörte auf ihren Papa. Nach einem dualen BWL-Studium in Stuttgart arbeitete sie noch 1,5 Jahre bei CSL Behring in Marburg. Aber ihre Sehnsucht war immer noch da – und diesmal hörte der Papa auf sie. Zum Glück – denn Linh Nguyen hat sich an die Spitze gearbeitet. Sie ist die amtierende Lady Amarena und setzte sich auch beim Rolling Pin European Bartender Cup – der Europameisterschaft der Bartender – gegen ihre Konkurrenz durch. Sie ist eine wahre Könnerin des Pairings – was sie dort erneut unter Beweis stellte.
Im Finale mussten die Teilnehmenden beim Black Box Mixing einen Cocktail passend zu einem Gericht kreieren, das sie vorher nicht kannten. Alles innerhalb von 15 Minuten, die Bar bestückt mit Flaschen und Zutaten, die sie ebenfalls nicht beeinfl ussen konnten: „Die Köchin hat uns kurz etwas zu dem Gericht und ihrer Inspiration erzählt, ein intensiv gewürztes, orientalisch angehauchtes, glutenfreies und vegetarisches BeefTartar. Wegen der starken Aromen musste ich viel Kraft in den Cocktail legen und habe deswegen den Botucal-Rum als Spirituose ausgesucht, den kannte ich schon und wusste, dass er sehr komplex ist, ein volles Mundgefühl mitbringt.“ So hat Linh sich unter enormem Zeitdruck vorgearbeitet – und den perfekten Partner zur vorgegebenen Speise entwickelt: The Taste.

cocktail tasteEin Schnaps. Drei Sirups. Pfeffer: „Mein Vater hat immer gesagt ,Keep it simple and make it amazing’ – das mich hat geprägt. Es sind die einfachen Dinge, die im Gedächtnis bleiben und sich über lange Zeit bewähren. Das ist mein Lebensmotto“, erzählt die 34-Jährige. Auch bei der Arbeit: „Ich suche mir gute Produkte aus und schaue, was harmoniert.“ Aber was macht denn diese Harmonie aus? Gibt es ein Geheimrezept? „Ein guter Cocktail muss vier Eigenschaften mitbringen: 1. Süße 2. Säure – beides muss in Balance sein – 3. Bitterness und 4. die Tiefe, also zum Beispiel ein rundes Mundgefühl, durch eine Spirituose, die voluminös ist, oder Textur in Form von Eiweiß. Als Laie sollte man also zunächst süß und sauer ausbalancieren und mit Zutaten arbeiten, die einem persönlich gut schmecken, für die man ein Gefühl hat. Ein gutes Mischungsverhältnis sind etwa 4 cl Spirituose auf 200 ml nicht-alkoholische Flüssigkeit.“
Und dann steht er vor uns: „The Taste“. Linh legt noch ein Stiefmütterchen darauf, bestäubt ihn mit Glitzerpulver. Ein Zeitlupenmoment, die glimmernden Partikel sinken herab. Und dann macht alles Sinn. Der tiefe Rum, Süße, Säure, der unvergleichbare Charakter des Cordials, ein heller Strahl im warmen Dunkel. Ein Drink, der Linh zur Europameisterin machte. Zu Recht.

The Taste

5 cl Botucal Rum
2 cl Paragon Cordial Timur Berry
1 cl Lime Monin
2 cl Lemongrass Sirup Monin
Black pepper

100 Prozent Geschmack, null Prozent Alkohol

Und was kommt ins Glas, wenn man keinen Alkohol trinken möchte? „Man kann auch so richtig coole Drinks kreieren, denn einfach nur Saft mischen und einen Stängel Minze rein – das finde ich echt langweilig.“ Außerdem wächst der Markt für Virgin-Getränke momentan rasant: Es gibt immer mehr Weine oder Spirituosen ohne Prozente.

Cocktails Martini

„Von Martini gibt es zwei Varianten, die beide das typische Wermuth-Aroma mit der leichten Bitterness mitbringen: den Floreal und den Vibrante. Mit denen kann man schon wirklich viel machen – und es einfach und für jeden, ohne viele weitere Zutaten, zuhause machbar. Der Vibrante wird zur tollen Alternative für einen Campari Soda oder Campari-O, man kann beide jeweils auch einfach mit Tonic oder Gingerale aufgießen. Auch als Caipirinha schmeckt der Floreal mit Limetten und braunem Zucker richtig gut, weil sich Süße, Säure und die Bitterness perfekt ergänzen.“

Tipp: Nicht nur zur Deko eignen sich Orangen gut – Die Schalen (dünn abgeschält) spenden ein super Aroma, wenn man über dem Glas die ätherischen Öle herausdrückt – danach kommen sie in den Drink.

Alt trifft neu

Wermuths sind allgemein wieder groß im Kommen – ob mit oder ohne Alkohol. Und noch einen Trend gibt es diesen Sommer: „Portwein.“ „Wie bitte?“ „Ja, Portwein!“
Der schwere aufgespritete Wein, den viele noch von ihrer Oma kennen, kommt aktuell als hipper Sommerdrink daher. Remixed sozusagen: „Ein weißer Portwein mit Tonic Water und viel Eis ist momentan echt angesagt."

 

Von Katharina Stenner, Fotos: mr//media/Dr. Günter Körtner

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